Dunkelheit
Der längste Tag des Jahres ist der 21. Dezember. Auch in Norwegen. Bei uns geht die Sonne jetzt nicht mehr auf.
Sie erscheint erst am 18. Januar wieder über dem Horizont. Uns bleiben trotzdem ungefähr zwei Stunden Licht,
zwei Stunden Leben, zwei Stunden Helligkeit bevor die Dunkelheit die Silhouetten der Berge unter einem Tuch versteckt,
die Wiesen zudeckt und Ursache dafür sein wird, dass sich die Blumen nicht mehr an die Oberfläche trauen werden,
zu viel Angst haben sie davor in die Dunkelheit hineinzuwachsen.
Die Schwärze der Nacht wird von Mond und Sternen liebevoll behütet. Sie schützt die schwächsten Glieder der Kette.
Die Tiere, versteckt vor dem kalten Lauf der Flinte.
Die Dunkelheit in Norwegen ist allumfassend wohingegen deutsche Dunkelheit instabil und flüchtig wirkt.
Man muss aufpassen. Darf sich nicht zu sehr dieser allumfassenden Dunkelheit zuwenden.
Sich nicht zu sehr in ihr zu Hause fühlen, sich nicht zu sehr in sie hineinfallen lassen.
Man muss sie auf Distanz zu sich halten.
Doch auch in dieser Düsternis finden sich Freude und Geborgenheit.
Wenn der Schnee mit der Dunkelheit konkurriert. Wenn die Polarlichter am Nachthimmel flirrend am Himmelszelt schweben
und versuchen, uns ein Licht zu sein.
Wenn die Kerzen im Wohnzimmer die Adventszeit einläuten und Gemütlichkeit ausstrahlen.
Wenn man in einer einsamen Hütte sitzt, gespannt darauf, wie die Umgebung am nächsten Morgen aussehen wird
wenn die Dunkelheit verschwunden ist und dieser besonderen
Art des Tageslichts Raum gibt.
Die Sonne schaut nicht mehr hinter dem Horizont hervor. Zu anstrengend ist der lange Aufstieg,
deshalb hält sie auf halber Strecke an, beschließt, noch ein paar Strahlen hinüber zu schicken und beginnt wieder mit ihrem Abstieg.
Das Licht, dass sie uns schenkt ist magisch
und die blaue vermischt sich mit der gelben, die gelbe mit der goldenen
und die goldene mit der roten Stunde.
Irgendwo dazwischen liegt die Magie der Wintersonne.
Wenn sie durch die Wolken scheint dann ist sie kaum noch zu erkennen und alles wird trüb und gleichzeitig klar.
Ein Schleier legt sich über die Welt und das Licht, dass durch die Wolken bricht ist zaghaft, ist scheu, ist neblig.
Dann, wenn die Sonne untergegangen ist, kommt die Dunkelheit zurück und man muss lernen, in ihr zu leben
ohne ein Teil von ihr zu werden.
Der Alltag darf nicht in ihr zurück bleiben, die Emotionen nicht zu sehr von ihr überschattet werden.
Denn Eines ist gewiss: die Blumen kommen zurück, das Licht auch. Man braucht nur ein wenig Geduld.


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