dazwischen

Rückblick

Das erste Jahr in Norwegen ist zu Ende. 

Ich bin noch weit weg von eingelebt, habe mich angekommen angenähert und nun ziehen wir wieder weiter.
Erneutes Aufbrechen, erneutes Einleben, erneutes Ankommen.
Wir sind in die Stille gezogen, weit weg von allem, um festzustellen, dass wir uns auch zu weit von uns entfernt hatten, festzustellen,
dass wir uns zwar in die Stille und die Abgeschiedenheit verliebt haben, diese aber beruflich zu wenig Entfaltungsmöglichkeiten bietet, uns die Teilhabe an Kultur verwehrt und wir lieber in der Anonymität einer Stadt verschwinden als uns der Neugier der Dorfbevölkerung auszuliefern. Wir wünschen uns ein Speckgürtelleben. Stadtnah und doch abgeschieden, anonym und doch mit freundlichen Nachbarn, die man um Hilfe bitten kann, wenn einem das Mehl ausgeht.
Ich brauche die Herausforderung des Stadtlebens, mich immer wieder meinen Ängsten stellen zu müssen, immer wieder mit mir selbst aneinander zu geraten, doch genauso sehr brauche ich einen Ruhepol an dem ich der Interaktion mit anderen,
die für mich so anstrengend ist, aus dem Weg gehen kann.
Ich denke, mit dem Wunsch eines Vorstadtlebens sind wir nicht allein. Doch auch in Norwegen ist das Leben im Speck teuer.
Nach einem Jahr im Norden schwanke ich von Tag zu Tag zwischen Desillusionierung und Begeisterung. Wanke hin und her, wie eine Möwe auf dem Fjord. Reue, unser altes Leben in Spiegelberg aufgegeben zu haben, vermischt sich mit Ehrfurcht und Vorfreude auf unser Leben hier, nach wie vor in der Fremde. 
Wir haben gelernt, dass das Leben auf der anderen Seite vom Fluss nicht 
immer grüner ist, nur die Farbnuancen sich ändern.
Ich habe gelernt, wie 
wichtig Familie und Freunde für mich sind und was für ein Privileg deutsches Brot doch ist.
Doch die wichtigste Lektion, die ich für mich lernen konnte, ist auf jeden Fall die, dass ich, egal auf welchem Ort der Erde,
immer ich sein muss. Ich werde 
nirgends vor der Bedrängnis davonlaufen können, die die Suche nach meiner beruflichen Erfüllung in mir auslöst. Niemals werde ich vor meinen Depressionen, meinen Panikattacken und meinen Selbstzweifeln davonlaufen können, sie sind hier in Norwegen noch genauso präsent wie in Deutschland.
Diese Erkenntnis zu verarbeiten, 
wird sicherlich dauern. Es liest sich ganz einfach, fühlt sich aber sehr schwer an.
Ich habe in diesem Jahr wichtige Lektionen über mich selbst gelernt. Gelernt, 
in der Winterdunkelheit nach Licht Ausschau zu halten, im Frühling neue Chancen zu ergreifen, im Sommer Kraft zu sammeln, im Regen Trost zu finden. Habe mich auf das Lernen einer neuen Sprache eingelassen, die ich immer noch nicht gut genug beherrsche, um mich in ihr sicher fühlen zu können.
Durch das Erschaffen 
einer neuen Sprachidentität habe ich bemerkt, wie unsicher, wie ruhig, wie anders ich doch eigentlich bin,
kann ich mein weniges Ich in die neue Sprache nicht 
integrieren.
So bleiben wir wohl noch eine Weile suchend. Nach zu Hause, nach 
unserem Platz, nach unseren Träumen, nach unserem Steuer, nach unserem Regenbogen. Doch letztendlich sind wir doch alle nur Suchende in der Welt der scheinbar endlosen Möglichkeiten.
Die Suche nach der Schaffung der bestmöglichen 
Realität für jeden von uns.
Diese Suche ähnelt dem Umherirren in einem 
Labyrinth voller Chancen, voller Unmöglichkeiten, voller Utopien, Aussichtslosigkeit, Hoffnung, Wut, Trauer und  Freude, in dem wir einander von Zeit zu Zeit begegnen. Ich freue mich nach wie vor über die virtuelle Begegnung mit euch. Meinen Blog werde ich nun ein wenig umsortieren, da dass erste Jahr nun zu Ende ist.
Ich hoffe, ihr begleitet mich trotzdem noch ein weiteres Stück auf meinem Weg. 

Ein Kommentar

  • Annelen Schulze Hönig

    Liebe Janine, was für eine gelungene und tiefgründige Selbstreflexion. Außer in unserer Heimat sind wir Fremde. Und Heimat steckt in allen Poren unserer Existenz. Norwegen ist nicht Deutschland und natürlich braucht es einen sehr langen Atem, bis ihr sprachlich und kulturelle festen Boden unter den Füßen habt. Es ist spannend, wie mutig ihr unterschiedliche Wege geht. Ihr werdet schon rausfinden wo ein guter Platz für euch ist. Meist hilft dir der Zufall und vielleicht ladest Du ganz wo anders. Es ist doch gut, dass es in unserer Persönlichkeit Fixpunkte gibt. Anders könnten wir in der Fremde nicht gut überleben. Super schöne Fotos danke für’s teilen deine Annelen

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  • Annelen Schulze Hönig

    Liebe Janine, was für eine gelungene und tiefgründige Selbstreflexion. Außer in unserer Heimat sind wir Fremde. Und Heimat steckt in allen Poren unserer Existenz. Norwegen ist nicht Deutschland und natürlich braucht es einen sehr langen Atem, bis ihr sprachlich und kulturelle festen Boden unter den Füßen habt. Es ist spannend, wie mutig ihr unterschiedliche Wege geht. Ihr werdet schon rausfinden wo ein guter Platz für euch ist. Meist hilft dir der Zufall und vielleicht ladest Du ganz wo anders. Es ist doch gut, dass es in unserer Persönlichkeit Fixpunkte gibt. Anders könnten wir in der Fremde nicht gut überleben. Super schöne Fotos danke für’s teilen deine Annelen

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