Zelten für Anfänger
Im Sommer wird in Norwegen viel gezeltet. Mitten im Nirgendwo; auf einem Berg oder im Wald denn Wildcampen ist in Norwegen erlaubt.
Also schnappen wir uns unser Zelt und beschließen, es den Norwegern gleich zu tun.
Da wir am Wochenende gerne ausschlafen brechen wir erst gegen 13 Uhr auf und kommen um 14 Uhr an der Wanderroute an. Der Wetterbericht ist auf unserer Seite. Bewölkt zwar, aber kein Regen. Unsere Füße tragen nicht nur uns sondern auch unsere schweren Rucksäcke langsam nach oben. Die Route ist steil, die ein oder andere Kletterpartie bleibt uns auch nicht erspart. Alle zehn Minuten brauche ich eine Pause um kurz durchzuatmen. Meine Kondition ist einer steilen Wanderung mit schwerem Rucksack nicht gewachsen. Trotzdem ist der Weg wunderschön. Er beginnt auf einer Schafweide und schlängelt sich an einem Bachlauf entlang durch einen kleinen Wald, in dem Moos und Pilze um die Wette sprießen. Das Wasser hat sich an der ein oder anderen Stelle den Wanderweg zum Fließen ausgesucht und wir müssen viele kleine Umwege machen. Gegen 17 Uhr haben wir das Ziel erreicht und beginnen damit, Ausschau nach einem guten Zeltplatz zu halten. Windgeschützt muss er sein, der Untergrund möglichst eben. Klingt einfach, ist es aber nicht. Der Fels ist rau und in unregelmäßigen Abständen mit Hochmoos gepflastert. Auch kleine Bäume stehen ab und zu in kleinen Gruppen zusammen und selbst Pilze sehen wir, die hoch oben einen Nährboden gefunden haben um zu wachsen. Auf dem Bergrücken gibt es ein Tal, dass das Wasser sammelt. So ist ein wunderschöner Bergsee entstanden auf dem es eine kleine Halbinsel gibt, durch eine feine grüne Arterie mit der Landmasse verbunden. Wir beschließen, am Fuße des Sees zu zelten.

Mittlerweile sind dunkle, unfreundliche Wolkenberge aufgezogen und die Sonne verschwindet. Schnell sind wir von feinem Nieselregen umgeben. Wir können die Baumgruppen nicht mehr sehen und die Pilze sind scheinbar wieder in die Erde zurück gekrochen. Schnell packen wir unser Zelt aus, mit der Sehnsucht nach einem trockenen Platz um uns auszuruhen und aufzuwärmen. Dann machen wir eine Feststellung, die das Dunkel um uns herum noch schwärzer macht. Wir haben keine Zeltstangen dabei. Müssen umkehren, zurück zum Auto laufen. Mittlerweile ist es kurz nach 18 Uhr. Der Wind, die Wolken, der Regen und der Nebel nehmen zu und gleichzeitig nimmt unsere Motivation ab. Vom feinen Nieselregen durchnässt beginnen wir den Abstieg. Die rauen Felsen sind auf einmal rutschig, das Moos verwandelt sich in Schlamm. So wie der Regen in unsere Kleidung kriecht, nisten sich die Angst und Verzweiflung in mir ein. Bald wird die Sonne untergegangen sein und es wird dunkel werden. Ein Berggipfel bei Nebel ist weitläufig und man erkennt nicht, was vor oder hinter einem liegt. Ich war schon einmal an diesem Punkt, war schon einmal hier. Nicht auf diesem Berg und nicht in diesem Jahr doch ich kenne die Situation. Wie ein Flashback holen mich die Gefühle ein. Marcel versucht mich zu beruhigen und ich orientiere mich an ihm und der App, die uns den Weg zurück weist. Wir gehen denselben Weg zurück den wir gekommen sind, doch er ist ein anderer geworden. Als wir die Hälfte der Strecke zurückgelegt haben, brechen wir erneut durch die Wolkendecke und der Regen lässt nach. Der Schlamm unter unseren Füßen leider nicht und wir schlittern mehr, als das wir gehen. Doch mit jedem Schritt nähern wir uns dem Ziel. Auf dem Weg nach oben hatten wir begonnen, unser Abendessen zu sammeln. Viele Pfifferlinge, oder auch Cantarella, haben wir entwurzelt und nach oben getragen. Die Cantarella, die wir auf dem Weg nach oben bewusst stehen ließen, sammeln wir nun ein. Das lenkt uns ab und wir vergessen den Regen und die Dämmerung. Schulen unser Auge darauf, das Gelb im dunklen Wald wahrzunehmen und einzupacken. Am Auto angekommen, meine Füße tun weh von der Last, die sie seit 5 Stunden tragen, haben wir eine ganze Tüte voll mit gelbem, schmackhaften Glück. Wir sind erschöpft und stinken und mittlerweile ist es fast dunkel. Eine Stunde Autofahrt trennt uns noch von einer heißen Dusche und unserem gesammelten Abendessen. Auf der Fahrt begegnen wir so vielen Elchen wie noch nie. Zum Glück alle am Straßenrand, mal mehr, mal weniger weit entfernt. 17 insgesamt, verteilt auf verschiedenen Wiesen. Dort stehen sie in ihrerer Ruhe, ihrer majestätischen Kraft und Anmut und am Ende hatte selbst dieser Tag noch sein Gutes. Die Zeltstangen haben wir übrigens Wochen später wiedergefunden. Natürlich erst, nachdem wir uns schon neue gekauft hatten.
- Janine Isabel
- Keine Kommentare
- 21.08.2021


Das könnte dich ebenfalls interessieren

Skavdalsfjellet
Februar 17, 2022
Die erste Woche
Juni 28, 2021