dazwischen

Norwegen – ein Abschied

Tschüss Norwegen

Ich bin in deinen tiefen Winternächten fast ertrunken.
Bin in deinen Weiten fast verlorn gegangen und hab mich in deinen Fjorden fast gefunden.
Bin mit deinen Bergen fast über mich hinausgewachsen, stand auf dem Gipfel und sah auf mich hinab um zu sehn,
ich kann nicht weitergehn. Nicht weiter über mich hinaus.
Bin mit deinen Elchen um die Wette gelaufen und hab mich hinter mir zurückgelassen.
Nur ein Schatten in deiner leuchtend hellen Nacht.
Hab mich im Polarlicht gespiegelt und zerschlagen was ich sah.
Hab meine Träume wieder verlassen, um neue zu ergreifen.
Die vor mir flüchtend weiterziehen wie die Vogelschar an deinem viel zu großen Himmelszelt an einem viel zu langen Tag,
gefangen in der Endlosschleife.
Ich bin deine Regenbögen hinabgerutscht und hätte mich fast eingeholt.
Doch ich hab mich mitgenommen in deine kalte, weite Welt.
Und deine Nächte voller Licht, sie hätten mich fast den Schlaf gekostet. Doch in meiner Nacht, da bin nur ich.
Der Schatten, den du auf mich wirfst, ist groß. Ist bunt und glüht und leuchtet.
Die Isolation die du mir schenktest, wird vergehn. Und ich muss raus, muss weitergehn.
In eine Welt ohne Raum, ohne Meer und ohne tiefe Täler, hohe Berge, bunte Lichter. Und schauen, was übrigbleibt, von mir,
meinem erbarmungslosen Richter. 

Der Polarkreis in meinem Kopf schlägt Purzelbäume.
Deine Bäume sind Buchen, sind voll spitzer Nadeln, die mich stechen und sich Eingänge suchen, ganz tief in meinen Kopf.
Muss Worte finden denn sie ertrinken. Im Fjord.

Die Muscheln an deinem Strand sind abgeschliffen. Meine Gefühle sind alle vergriffen. Untergegangen im Möwenlärm. 

Die Stürme blasen mir durch mein Herz, wirbeln die Wellen in mir auf.
Ich verkriech mich in meinem Schmerz, dein Regen hält mich nicht auf. 

Wie Heidelbeeren, die niemand pflückt, nehmen Vögel meine Gedanken mit.
Dein Wald ist Moos, ist Glück. Das sich nicht sehen lässt von mir denn zu schwer wiegt der Rucksack, den ich mit mir trage,
er hält mich zurück. 

Deine Wale lösen Ehrfurcht in mir aus, sind grausam schön und nicht zu begreifen.
Wie gerne würde ich mit ihnen tauchen gehen und im Meer mit ihnen kreisen.

Das Boot, das wir nie gefahren sind, die Momente, die wir nie erleben durften.
Wir konzentrieren uns auf sie, statt zu sehen, was wir hatten.
Die Zeit, sie wird erbarmungslos vergehn.

Unsre Liebe hat Schaden genommen, wir müssen sie wieder reparieren.
Wir sind uns im Fjord davon geschwommen, haben Narben und Wunden und sind an Felsen zerschellt.
Doch wir wussten ja, was wir riskieren.
Sie war viel zu schnell, zu klein, zu eng, unsere Welt. 

Ein Teil von uns wird immer Fjord sein. Immer Fjell.
Ein Teil von uns wird immer Meer sein, immer hell.
Ein Teil von uns wird immer Wald sein, immer Licht. Auch wenn der andre Teil von uns zerbricht.
Ein Teil von uns wird norwegisch denken, wird nach Worten suchen, Erinnerung verschenken.
Ein Teil von uns hängt fest.

Die Tränen, die ich weine, schmecken salzig.
Wie das Meer vor unsrem Haus.
Wehmut.
Nur ein kleiner Rest.

Ich bin deine Berge hinaufgewandert, mit Blasen an den Füßen.
Hab jede einzelne genossen.
Ich bin deine Fjorde entlanggewandert, mit Staunen im Gesicht.
Dein Moos hat mich getragen, unten am Fjord, mit ausgehöhlten Krebsen neben mir.
Dort saß ich und schrieb, darüber, wie schön du bist.
Ich bin tausendmal aufgewacht von Möwen, die brüten.
Er wird mir fehlen, der Schrei der Liebe von einer Mutter an ihr Kind.

Ich bin über dein Meer gegangen.
Über Brücken, Stege, Steine.
Hab mir viel zu oft den Fuß verstaucht, an Gräsern, Felsen, Löchern.
Doch hab ich jeden Schritt geliebt.

Ich bin im Graben gelandet, gleich zwei Mal, bin ausgerutscht, auf deinem kalten Wasser.
Bin im Nebel verloren gegangen, kein Baum war mehr dort, wo er vorher stand.
Der Nebel hat das Meer verschluckt und mich gleich mit.
So still.
Ich hab die Stille gehört.
Jeden Tag.
Sie ist ein Teil von mir geworden.

Ich bin in deinen Stürmen fast davongetragen worden.
Glas, das vor mir zerbricht.

Deine Insekten haben mir mein Blut genommen – tausendfach.
Doch ich bereue keinen Stich.

Ich hab Meerluft geatmet, Tag für Tag.
Meine Lunge ist frei, wie nie.

Saß in viel zu langen Nächten im Schnee, staunend, mit dem Blick zum Himmel.
Ich könnte ewig dort verweilen.

Deine Gischt, die der Wind in Flocken vor mir hertreibt.
Schnee im Frühling, der Winter ist lang.

Ich hab deine Schneeberge erklommen.
Berge, wo vorher keine waren.

Bin in die Stille eingetaucht, die der Schnee erschafft.
Ich bin begegnet – Elchen, Vögeln, Ottern, Robben, Adlern, Menschen.

 Und irgendwo mir selbst.

Ein Kommentar

  • Frank Brück

    Liebe Janine,
    wie man deinen Worten entnehmen kann, war in Norwegen Freude und Leid ganz nahe beieinander. Viele Hochs und Abstürze.

    Nehme das Gute mit und das Schlechte lasse weg.

    Wie man so sagt, hinterher ist man immer schlauer! Schaue in deiner neuen/alten Heimat nach vorne und genieße deine/eure neue Umgebung und meistert gemeinsam die neuen Herausforderungen!

    Nach vielen Jahren kann man auf Norwegen zurückblicken und denkt an die vielen schönen gemeinsame Augenblicke.

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