davor

Worte

Es gibt Worte, die müssen ausgesprochen werden da sie sich sonst verlieren in der Endlichkeit des Kopfes, den Windungen und Wirrungen des Cerebrums. Die der Mund sonst bereut, nicht gesagt zu haben. Die ihn traurig machen, da er die Worte nicht hat kosten können. Dann wiederum gibt es Worte, die müssen verschlossen werden. Ganz tief versteckt in den Abgründen der menschlichen Seele. So facettenreich wie die Seele selbst. Gut verborgen, ganz weit unten. Diese Gedanken ertragen kein Licht und der Mund würde daran zerbrechen.  Die dritte Art, die Dinge auszudrücken, die wohl geheimnisvollste, dunkelste, zugleich hellste und missverstandenste Art, Worte zu konservieren ist die des Aufschreibens. Die Worte fließen vom Gehirn ins Blut, in die Hand, in die Muskeln, wo sie letztendlich zur Freiheit gezwungen werden. Anders als beim Sprechen kann man diese radieren, verbessern, verändern, biegen und drehen. Sie zu dem machen, was sie sein wollen oder zu dem, was sie nie waren. Man kann ihnen eine Hülle geben oder sie nackt im Regen stehen lassen. Gesprochene Worte hingegen, ob zart, heftig, rau oder hässlich, sind nicht mehr zurückzunehmen. 
Dann gibt es da noch die scheuen Worte und die Worte im Zwischenraum. Das Problem der scheuen Worte ist, das man sie nur schwer wiederfindet, wenn man beschließt, sie zu verstauen. Dass man sie zu Tode verurteilt, da sie niemanden hatten, dem sie offenbar werden konnten, niemanden, der ihnen zugehört hätte. Deshalb haben sie das Sprechen verlernt und somit ihr ganzes Sein vergessen.
Das Wort im Zwischenraum ist oft unsichtbar und man muss gut nach ihm suchen. Es sind scheue Worte, die sich ihrem Todesurteil entzogen haben und die mitschwingen in jedem Wort, dass zwischen zwei Menschen tanzt.
Im Gegensatz dazu kann das geschriebene Wort jedoch sein, was es zu sein beliebt. Es kann sowohl zerbrochen, als auch wieder zusammengesetzt werden. Es kann heilen, aber auch zerstören, so wie es kein verstecktes oder gesprochenes Wort zu schaffen vermag. Gesprochene Worte werden zu Vergessenen. Vergessene zu Geschriebenen und deine Hand erzählt sie dir. Geschrieben Worte lassen sich nur schwer vergessen. Man kann sie zwar zerreißen, verwischen oder radieren, doch es entsteht unweigerlich ein Bild im Kopf. Ein Abdruck, der als Erinnerung in einem verbleibt. Das macht diese Art des Wortes so gefährlich. Ein Glück will sie heute kaum mehr jemand lesen. So können sie ungestört weiterwüten. Auf dass die Welt in ihnen untergeht.
 

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